Zuckermais – ein Nischenprodukt

January 24, 2018 | Author: Anonymous | Category: Wissenschaft, Biologie, Ernährung
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Gemüse

BAUERNBLATT l 14. Mai 2011 ■

Gemüsemais in Schleswig-Holstein

Zuckermais – ein Nischenprodukt Wenn wir hierzulande etwas vom Mais hören, gehen die Gedanken zurzeit in Richtung Viehfutter oder Energiepflanze. Die Ablehnung des Maises als Grundlage für die menschliche Ernährung ist tief verwurzelt, und nur allmählich nimmt der Zuckermais oder Gemüsemais auch bei uns an Bedeutung zu. Der MaisistkeineeinheimischePflanze mit europäischer Anbautradition. Es gab aber amerikanische Hilfslieferungen mit großen Mengen an Maismehl, mit denen die Deutschen damals nicht ihr gewohntes Brot backen konnten. Folglich wurde das Nahrungsmittel Mais wie auch die Kartoffel als geringwertig eingestuft. Daran änderte selbst die Patentschrift Nummer 296648 des Kaiserlichen Patentamts zur Herstellung eines dem rheinischen Roggenschwarzbrot ähnelnden Maisschrotbrotes nichts, das von den Herren Oebel und einem gewissen Konrad Adenauer (damals Bürgermeister der Stadt Köln, 1949 bis 1962 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland) entwickelt worden war, um der Bevölkerung den Mais näherzubringen und die Berge an gelbem Maismehl zu verwerten. Nur etwa 1.500 ha von den weltweit angebauten 300.000 ha Zuckermais stehen in Deutschland, und diese überwiegend in süddeutschen Bundesländern. In Schleswig-Holstein beträgt der Anbau nicht einmal 20 ha. Ursachen: Der US-Bürger verzehrt durchschnittlich über 14 kg Gemüsemais in verschiedensten Zubereitungsformen, der Deutsche nur 1 kg, und das überwiegend als Konservenware. Für den Frischmais sind die Voraussetzungen äußerst ungünstig. Der Zuckermais unterscheidet sich vom herkömmlichen Mais nur dadurch, dass ein bestimmtes, nennen wir es Zuckermaisgen die Umwandlung von Zucker zu Stärke im Kolben verlangsamt. Bei einer Bestäubung

Sorgentelefon

Tabelle 1: Sortiment an Zuckermaissorten Sorten Hi 06 113 Vanilla Sweet Golden Supersweet Golda Noa Sentinel Sweet nugget Signet Sunrise Passion Tasty gold Sweet Image Tasty Sweet

Reife früh früh früh früh früh früh früh früh früh mittelfrüh mittelfrüh mittelfrüh früh

mit herkömmlichen Maispollen wird diese Eigenschaft völlig unterdrückt, und der Mais schmeckt fade. Traditionelle norddeutsche Maisanbaugebiete fallen damit für eine gezielte Zuckermaisproduktion aus, oder die angebotenen Maiskolben haben einen eher faden Geschmack und verdienen die Bezeichnung Zuckermais nicht. In Süddeutschland sind es dagegen eher die Gemüseanbauer, die Zuckermaisanbau betreiben. Eine weitere unangenehme Tatsache besteht darin, dass der Zuckergehalt des geernteten Maises rapide

Vertrieb Hild Hild Hild Nebelung Nebelung Nickerson-Zwaan Agri Seminis Agri Seminis Agri Agri Seminis

nach wenigen Tagen in den Keller sinkt und sich der fade Geschmack durchsetzt. Die in unseren Supermärkten angebotenen Maiskolben süddeutscher Herkunft haben seit der Ernte in der Regel den Zenit weit überschritten und bereits zu viel Zucker abgebaut, um noch zu schmecken, was ebenfalls eher die Kaufzurückhaltung fördert. Damit bleibt der Zuckermais ein Nischenprodukt für den Spezialisten mit günstiger Anbau- und Absatzlage und angesichts der mangelnden Mechanisierbarkeit der Kleinflächen etwas für den Direkt-

vermarkter. Auch die mittlerweile angebotenen Sortentypen „supersweet = extrasüß“ und „dreifachsüß“, bei denen der Abbauprozess noch einmal verlangsamt abläuft, können den Nachteil langer Vermarktungswege nicht kompensieren. Als „maisfreie“ Region wurde für den Zuckermaisversuch die Marsch ausgewählt, die wiederum den Nachteil in sich birgt, dass sich Mais als C4-Pflanze in der windoffenen Lage nicht so prächtig entwickeln kann. Angesät wurde der Versuch Anfang Mai mit herkömmlicher Silomaistechnik, wobei die mögliche Saatstärke mit 90.000 Pflanzen für den Zuckermais deutlich zu hoch lag. Mehr als 60.000 Pflanzen/ha verträgt ein guter Zuckermaisbestand auch auf guten Böden nicht. Mit einer durchschnittlichen Standzeit von 140 Tagen bis zur Erntereife brauchten die Sorten aus dem frühen und sehr frühen Bereich deutlich länger, als von der Einstufung zu erwarten war. Neben dem Ertrag wurde nach folgenden Erfolgsparametern ausgewertet: Zuckergehalt, Kolbenlänge (16 bis 22 cm „Schalenmaß“), Kornausbildung (16 cm lang geschlossene Kornreihen) sowie La-

Übersicht 1: Zuckermais Barlt 2010 – Anzahl verwertbarer Kolben je Hektar Tasty Sweet

11.428,57

Sweet Image

12.380,95

60.952,38 61.904,76

Tasty gold 5.714,29

75.238,10

Passion

48.571,43

Sunrise

24.761,90

Signet

42.857,14

20.000,00

Sweet nugget

42.857,14

33.333,33

Sentinel

32.380,95

Golden Supersweet*

33.333,33

Vanilla Sweet*

mittwochs 8.00 bis 12.00 Uhr (04 31) 55 77 94 50 [email protected]

Hi 06 113*

19.047,62 17.142,86 0

10.000

nicht verwertbar

32.380,95

34.285,71

Golda

verwertbar

32.380,95

30.476,19

Noa

für landwirtschaftliche Familien

22.857,14

37.142,86 38.095,24 7.619,05 3.809,52

*unzureichender * unzureichender Feldaufgang Feldaufgang

6.666,67 20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

70.000

80.000

90.000

Gemüse

■ BAUERNBLATT l 14. Mai 2011

gerneigung, Anzahl voll ausgebildeter Kolben, Pflanzenlänge und Ansatzhöhe. Während die meisten Sorten zügig aufliefen, standen ‚Hi 06 113‘, ,Vanilla Sweet‘ nur mit rund 10 % und ,Golden Supersweet‘ mit etwa 30 % der ausgesäten Körner da. Die Ergebnisse müssen deshalb bei diesen drei Sorten mit Zurückhaltung betrachtet werden, denn alle anderen Sorten litten eher unter zu dichten Beständen, und diese Einzelpflanzen konnten sich frei entfalten. Die übermäßig hohe Bestandesdichte der übrigen Sorten führte zu mangelhafter Kolbenausbildung. Leider reagierte der Mais nicht mit Unterdrückung eines Kolbens zugunsten des obersten Kolbens, sondern bildete in der Regel zwei unzureichende Exemplare aus. Nur die Pflanzen der ausge- Nicht jeder Kolben wurde voll ausgebildet. dünnten Sorten haben sogar zwei und mehr brauchbare Kolben je Tabelle 2: Sortenergebnisse im Überblick Einzelpflanze entwickelt, was ZuckerKolbenPflanzendeutlich am Durchschnittsgewicht Sorten gehalte gewicht länge des Einzelkolbens zu erkennen ist in % g cm (siehe Tabelle 2). Einen relativ hoHi 06 113 15,0 322 177 hen Anteil marktfähiger Kolben 16,0 347 170 brachte die Sorte ,Passion‘, deren Vanilla Sweet 17,5 314 193 Standfestigkeit aber nicht über- Golden Supersweet zeugen konnte. Wenig überzeu- Golda 15,0 233 228 gend waren hier die Sorten ,Tasty Noa 15,0 237 205 Gold‘, ,Tasty Sweet‘, ,Sweet Image‘ Sentinel 14,5 231 220 und ,Signet‘. Sie wurden hinsicht16,5 234 183 lich der Anzahl verkaufsfähiger Sweet nugget 16,0 246 213 Kolben sogar von den ausgedünn- Signet 15,5 214 198 ten Beständen (20.000 Pflan- Sunrise zen/ha) der Sorten ,Vanilla Sweet‘ Passion 17,0 238 205 und ,Hi 06 113‘ übertroffen. Tasty gold* 15,0 212 215 Sicherlich hatten die überzoge- Sweet Image* 17,5 203 203 nen Bestände auch ihren Anteil an Tasty Sweet* 17,0 232 203 der Standfestigkeit der Sorten, *unzureichender Bestand dennoch muss hier auf die deutlichen Unterschiede bei der Lagerneigung (Übersicht 2) hingewiesen werden, denn einerseits leidet die Kolbenausbildung, andererseits nehmen Fasanen, Krähen, Ratten, Bisams und andere Mitbewohner der Region die Gelegenheit gerne wahr, wenn ihnen die Kolben auf Fraßhöhe angeboten werden. Die Sorten ,Golda‘, ,Signet‘ und ,Sweet Image‘ erfüllten die Anforderungen an die Standfestigkeit nicht, die Sorte ,Passion‘ konnte ebenfalls nicht überzeugen. Überzeugend standfest waren die Sorten ,Noa‘, ,Sentinel‘ , ,Tasty Sweet‘ und ,Tasty Gold‘. Die beste Werbung für den Zuckermais ist der Zuckergehalt. Dieser wurde mittels Refraktometer, mit dem durch Lichtbrechung die lösliche Trockensubstanz einer Flüssigkeit ermittelt werden kann, festgestellt. Die Werte wurden Maiskolben auf „Fraßhöhe“ werden gerne angenommen.

Kolbenansatzhöhe cm 61,5 55,0 69,0 82,5 67,5 91,5 56,5 77,5 62,5 80,0 82,5 67,5 81,5

24 Stunden nach der Ernte gemessen, und es ist davon auszugehen, dass ein Teil des ursprünglich vorhandenen Zuckers bereits in Stärke umgewandelt wurde. Eine Messung nach weiteren 48 Stunden ergab um durchschnittlich 2,6 % real gesunkene Zuckergehalte. Kühlung kann diesen Prozess zwar verlangsamen, aber nicht verhindern, und so muss der Direktvermarkter auf eine Strategie zurückgreifen, die immer für frische Ware sorgt, anderenfalls schwinden mit dem Zuckergehalt auch die Kunden. Die gemessenen Pflanzenlängen und die Kolbenansatzhöhen der Sorten lassen keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Standfestigkeit zu. Die Kolbenansatzhöhe ist beim handarbeitsintensiven Zuckermais eher ein Merkmal bequemer Beerntbarkeit. Um den Anbau von Zuckermais wirtschaftlich zu gestalten, ist es wichtig, die Kulturmaßnahmen auf eine gleichmäßige Marktbeschickung über einen längeren Zeitraum auszurichten. Die Sortenwahl bietet dazu zwar eine Grundlage, ist aber keineswegs alleiniger Faktor für den Erfolg. Nicht ausreichend zuverlässig ist dabei die Einstufung der Sorten in die Kategorien „sehr früh“ bis „spät“, denn die im Norden ohnehin verzögerten Vegetationszeiten sind immer für eine Überraschung gut. Ausschlaggebend müssen die Standfestigkeit und die Neigung der Sorte zur Kolbenausbildung sein. Gemüsebaubetriebe können sich Gedanken darüber machen, ob auch beim Mais der Einsatz der Pflanzmaschine, die sowieso vorhanden ist, für angezogene Topf-

Fotos: Johann-Heinrich Bitter

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Veranstaltungen

BAUERNBLATT l 14. Mai 2011 ■

„Raus aufs Land“ in Futterkamp

Übersicht 2: Zuckermais Barlt 2010 – Lagerneigung Tasty Sweet Sweet Image Tasty gold

Attraktives Programm am 22. Mai

1,66 6,66 2

Passion

5,5

Sunrise

4

Signet

7,3

Sweet nugget

3,33

Sentinel

1,66

Noa

1,66

Golda

8

Golden Supersweet* Vanilla Sweet* Hi 06 113*

niedrig

pflanzen eine zuverlässigere Terminplanung zulässt, als eine unsichere Saat. Dadurch sind auch präzise mehrere Anbausätze in etwa 14-tägigem Abstand zu platzieren. Gleichmäßige Pflanzabstände werden sicherlich auch wesentlich homogenere Kolben bringen. Frühe erste Sätze unter Vlies wären dann bereits ab Anfang April möglich, die im Juli bereits erntereif wären. Der Flächenbedarf für den einzelnen Anbausatz richtet sich nach den Absatzmöglichkeiten und darf keinesfalls dem Zufall überlassen bleiben. Nichts ist dem Erfolg abträglicher als alte Ware. Hier muss gegebenenfalls konsequent entsorgt werden. Konsequenz gilt auch für den Erntetermin. Wenn die „Fäden“ der Kolben an der Spitze braun werden, muss geerntet werden. Längere Standzeiten wirken sich

sehr hoch

unmittelbar auf den Zuckergehalt aus. Die kühleren Morgenstunden sind bei der Ernte zu bevorzugen, und bei einer Kühlung auf zirka 5 °C ist der Mais dann auch eine Woche haltbar. Es liegt beim Vermarkter, wie er schließlich seinen Mais an den Kunden bringt. Ein paar Küchentipps können in der Direktvermarktung immer hilfreich sein, damit der Kunde seinen Mais nicht nur roh knabbern muss. Das beginnt mit dem simplen Hinweis, dass beim Blanchieren der Maiskolben das Salz unangebracht ist, weil die Kolben dann „hart“ werden, und muss nicht beim Klacks Butter auf dem gegrillten Kolben enden. Johann-Heinrich Bitter Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31-94 53-351 [email protected]

Wie zuletzt 2009 nimmt die Landwirtschaftskammer erneut an der landesweiten Aktion „Raus aufs Land“ teil und öffnet am Sonntag, 22. Mai, von 10 bis 18 Uhr die Tore. Sie gewährt Einblick in die praktische Tierhaltung und stellt die Arbeit der Fachabteilungen vor. Neben vielen Partnern ist in diesem Jahr wiederum die coop eG dabei, die ihr Landklasse-Programm für Rind- und Schweinefleisch präsentiertundvieleProduktezurVerköstigung anbietet. Die Veranstaltung 2009 hatte mit 14.000 Besuchern und Besucherinnen eine überwältigende Resonanz gefunden. Das diesjährige Programm ist noch vielfältiger und macht den Familienausflug nach Futterkamp zum noch größeren Erlebnis. Um 10 Uhr wird Präsident Claus Heller den Tag eröffnen. Im Anschluss daran findet eine Andacht mit Pastor Dietmar Sprung aus der Kirchengemeinde Blekendorf statt. Bis 18 Uhr werden fachliche Informationen, Vorführungen, Spiel und Spaß für Kinder und Erwachsene an verschiedenen Stationen von der Reithalle bis zum Kuhstall auf dem Gelände geboten (siehe Lageplan, Programm). Neben Rindern, Schweinen, Pferden und Schafen werden dieses Mal auch Kleintiere wie Kaninchen, Geflügel und Fische zu sehen sein. Auch dazu gibt es fachkundige Auskunft. Wer noch kleinere Lebewesen näher betrachten möchte, findet diese im

Wettmelken ist eine Disziplin, zu der Kinder und Erwachsene antreten können.

neu ausgelegten Naturgarten. Auf dem Trockenrasen, der Feuchtwiese und in der Teichanlage sind Frösche und verschiedene Insektenarten beheimatet. Große Schautafeln geben Informationen über deren Lebensräume. Geschaffen wurden diese Biotope im Jahr 2010. Sie sollen die die Landwirtschaft begleitende Flora und Fauna darstellen. Schulklassen, die im Rahmen ihrer agrarpädagogischen Klassenfahrt nach Futterkamp kommen, haben die Möglich-

Zwei unzureichend ausgebildete Kolben (li.) und zwei gut ausgebildete Kolben Eine große Besucherzahl wird auf dem Gelände erwartet. Einige können sich im Baumklettern üben. (r.) aus einem dünnen Bestand.

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